
Planet A von Roger Ambühl
Details:
Genre: | Gesellschaftsromane |
Format: | eBook |
Seiten: | 360 |
Distributor: | Tolino Media |
ISBN/ASIN: | 9783952547335 |
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Inhalt:
Lana ist Anfang zwanzig und lebt in einer Hochhaussiedlung in Bern-West. Als sie in einem Amulett ein Rätsel ihres leiblichen Vaters findet, beginnt für sie eine Reise zu ihrem Ursprung. Mit ihrem Freund Cica folgt sie den Hinweisen, um mehr über ihren Erzeuger und ein utopisches Experiment, das er vor ihrer Geburt leitete, herauszufinden. Ein angesehener Unternehmer will das mit allen Mitteln verhindern und setzt die beiden jungen Freunde immer mehr unter Druck. Welches Geheimnis versucht er zu verbergen?
Spannend von der ersten bis zur letzten Seite wagt das Buch einen Sprung in die Zukunft, verknüpft die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, mit der verzweifelten Suche einer jungen Frau nach ihrer Identität und macht es zu einer Schnitzeljagd der besonderen Art!
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Leseprobe
1Lana saß in ihrer Kammer auf dem kleinen Bett, als sie die Entdeckung machte, die ihrem Leben eine so überraschende Wendung gab. Obwohl sie keine fünf, sondern über zwanzig Jahre alt war, schlief sie noch immer in einem Kinderbett mit einer lächerlichen Größe von nur siebzig mal hundertsechzig Zentimetern. Es war genau sechs Zentimeter zu klein, und sie hatte zwei Möglichkeiten, wie sie damit umgehen konnte: Entweder ließ sie ihre Beine über das Fußende hängen oder sie lag auf der Seite und faltete sich wie ein Embryo zusammen. Meistens bevorzugte sie Letzteres. Es war auch nicht wirklich ein Zimmer, in dem sie schlief. Ihr Zuhause war eine Kammer, die muffig roch und gerade genug Platz für ein Kinderbett, einen kleinen Tisch und einen Stuhl bot. Ihre Wäsche war mangels Stauraums in einem Einbauschrank im Flur untergebracht. Die beengten Verhältnisse wären für Lana noch zu ertragen gewesen, aber das Schlimmste war, dass sie nicht alleine in der Hochhauswohnung an der Waldmannstrasse wohnte; da war noch ihre Familie. Keine gewöhnlichen Menschen, die am Samstag ihr Auto wuschen und sonntagmorgens zum Bäcker gingen. Damit hätte sie sich vielleicht arrangieren können. Nein, Vater, Mutter und Bruder hatten eine andere Art von Routinen. Sie lebten wie Geister, wie willenlose Hüllen, die sich jeden Tag aufs Neue, ohne das kleinste Zeichen von Aufbegehren, ihrer Trägheit hingaben. Das löste ein Gefühl von Fremdheit in Lana aus. Seit sie denken konnte, hatte sie sich nie diesen Geschöpfen zugehörig gefühlt. Sie war eine Außenseiterin in ihrer eigenen Familie.
Lana betrachtete die stolze Nase, die wachen Augen und die altmodische Frisur, die einer Haube glich. Das Gesicht von Simone de Beauvoir zeugte von Entschlossenheit. Das Poster, das über der Kopfseite ihres Bettes hing, war einer ihrer persönlichen Schätze. Wie es wäre, eine solche Frau als Freundin zu haben? Eine Kämpferin. Eine Frau, die sich nicht von Männern unterjochen ließ.
Sie war so in die Betrachtung des Bildes versunken, dass sie die gehässige Stimme anfangs nicht hörte. Erst als sie wie ein Grollen anstieg, nahm sie den Ton bewusst wahr. Vater. Er war arbeitslos und darum stets zu Hause. Für Arbeiter wie ihn fand sich immer weniger Beschäftigung. Als er seine Ausbildung zum Logistiker absolvierte, hatte es in der Branche noch Jobs im Überfluss gegeben. Er hatte in einem Logistikzentrum Waren vom Lastwagen abgeladen und die grünen Kisten mit Ananas oder Mangos von der Elfenbeinküste mit einem Gabelstapler so lange an den richtigen Ort gebracht, bis ihn Roboter ersetzten. Diese Arbeit war so einfach zu automatisieren gewesen, dass Zehntausende Jobs in der Logistik gestrichen wurden. Es war jetzt zwanzig Jahre her, dass er seine Stelle verlor, und er war sogar einer der Letzten gewesen, weil er eine richtige Ausbildung genossen hatte. Die Ungelernten waren längst weg gewesen. Seit dem Tag der Kündigung hatte er nie wieder regelmäßig gearbeitet. Die Familie lebte von Sozialgeld, Gelegenheitsjobs und den Zuwendungen von Lanas Tante.
Mit immer lauterer Stimme rief er nach ihr. Widerwillig erhob sie sich von ihrem Bett, öffnete die Tür und ging durch den Flur in Richtung Wohnzimmer. Dort lag er in seiner wüsten Mattheit auf dem abgewetzten Sofa. Den schwarzen Adidas-Trainer zog er nur noch selten aus. Seine Haare waren dünn und grau geworden, das Gesicht rot vom Alkohol, der ihm überhaupt erst ermöglichte, den Tag zu beginnen. Das monströse Endgerät zeigte eine Show, in der arme Menschen gezwungen wurden, makabere Dinge zu tun. Ein Mann mit strähnigem Haar leckte an einer Wand mit Schimmel. Ihrem Vater gefiel es, dass andere noch schlechter dran waren. Das besserte für gewöhnlich seine Laune. Heute nicht.
«Lana, was machst du hier?», geiferte er.
Es roch nach männlichen Säuferausdünstungen, Zwiebeln, abgestandener Luft. Mutter musste irgendwo in der kleinen Wohnung sein. Höchstwahrscheinlich in der Küche. Sie hatte es perfektioniert, ihn zu meiden.
«Ich wohne hier.»
Er musterte sie mit trübem Blick.
«Das weiß ich. Ich zahle die Miete.»
Nicht du. Das Sozialamt und andere Menschen, die uns nicht verrecken lassen wollen, dachte Lana. Es brachte nichts, das zu sagen. Es würde ihn nur unnötig wütend machen.
«Was gibt‘s?», fragte sie, die Hände in die Hüften gestemmt.
Er grunzte und antwortete: «Wann gehst du endlich arbeiten und trägst etwas zu unserer Familie bei?»
Das mit der Arbeit war so eine Sache für Lana. Sie arbeitete. Hin und wieder. Sie hatte in Restaurants gekellnert, alten Leute im Altersheim die verklebten Pobacken gesäubert und sich sogar zweimal in Unterwäsche vor einer Webcam geräkelt. Doch das waren alles nur befristete, kleinere Sachen gewesen. So ging es vielen in Bern-West. Kaum einer hatte einen dauerhaften Job, der ihm Sicherheit und Wohlstand garantierte. Wenn doch, zogen sie weg. Hier war der übrig gebliebene Rest eingekerkert, der Bodensatz der Gesellschaft.
Lana hätte gerne studiert. Ihre Noten in der Schule waren auffallend gut gewesen. Sie hatte alle Voraussetzungen, nur eine nicht: Geld. Seit die Universitäten privatisiert waren, war es nicht mehr eine Frage der schulischen Fähigkeiten, sondern des Mammons, wer in den Genuss einer höheren Ausbildung kam. Ein Studium konnte sie sich nicht leisten, und würde sie auch in Zukunft nie können, da konnte sie noch so viele Gelegenheitsjobs haben.
«Du weißt, dass es keine Jobs gibt. Du hast ja auch keinen», sagte sie schon ermüdet von diesem öden Gespräch. Lana wusste, dass ihr Vater nicht wirklich darüber reden wollte. Es machte ihm einfach Spaß, sie zu piesacken. Mit ihrem Bruder Marco tat er das nie, bei ihr aber hatte er schon immer die perverse Lust verspürt, sie zu quälen. Als sei sie eine Aussätzige, etwas Minderwertiges, das man nach Belieben herumstoßen konnte.
«Wie redest du mit deinem Vater?»
Er richtete sich ein Stück auf, ließ sich dann aber wieder ins Sofa fallen. Er hatte es sich anders überlegt. Lana schaute ihn mit mitleidigem Blick an. Was war ihr Vater doch für eine elende Kreatur. Er lebte von Fertigpizzen, weißem Toast und billigem Wodka.
«Es tut mir leid, Papa. Kann ich gehen?»
Sie wollte zurück in ihr Zimmer. Weg aus diesem stinkenden, tristen Raum, weg von diesem Haufen Fett und Fleisch auf der Couch. Ihr Blick wanderte zu den verblichenen, grünen Vorhängen an den Fenstern.
«Es tut dir leid? Dich kann man zu nichts gebrauchen! Ich füttere dich durch und du machst keinen Finger krumm. Verdammt nochmal, du könntest wenigstens für jemanden die Beine breitmachen. Dann wären wir dich los. Aber selbst dafür bist du zu dumm.»
Er nahm einen Schluck aus der Flasche und wandte sich wieder der Show zu. Lana drehte sich um und verließ das Wohnzimmer. Was aus seinem Mund tropfte, machte sie schon lange nicht mehr traurig. Sie war gegenüber den Anfeindungen ihrer Familie gleichgültig geworden, weinte nicht einmal mehr. Sie hatte sich geschworen, damit aufzuhören, als er ihr das erste Mal ihre Träume nahm. Lana wusste nur zu gut, dass Schläge und Beleidigungen nicht halb so wehtaten wie ein zermalmter Kindertraum.
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Der Autor
Roger Ambühl, geboren 1982 in Delsberg, arbeitete viele Jahre in der Online-Kommunikation, band von Hand Agenden und gab Deutschkurse. Jetzt unterstützt er arbeitslose Menschen, eine neue Stelle zu finden. Daneben schreibt er Kurzgeschichten und Romane. Planet A ist sein zweites größeres Werk.
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